Verweildauer und Absprungrate verstehen

Die Verweildauer und die Absprungrate sind zwei wichtige Kennzahlen zur Bewertung der Qualität von Inhalten. Aus diesem Grund dürfen sie in keinem vollständigen Reporting fehlen. Doch nur wer genau versteht wie diese beiden Kennzahlen zustande kommen kann die richtigen Schlüsse ziehen. In diesem Artikel erklären wir wie Google Analytics Verweildauer und Absprungrate misst, was es dabei zu beachten gibt und wie die Qualität der Datenerhebung verbessert werden kann.
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Martin Müller

Analytics-Stratege | netzstrategen

Mit Webanalyse-Tools wie Google Analytics können wir messen wie Nutzer auf unsere Inhalte reagieren und wie sie mit den Inhalten interagieren. Auf Basis des Nutzerverhaltens lassen sich dann Rückschlüsse auf die Qualität der Inhalte ziehen. Zwei wichtige Faktoren bei der Beurteilung sind die Verweildauer und die Absprungrate. Um die beiden Kennzahlen und deren Aussagekraft bewerten zu können muss zunächst jedoch ein Verständnis geschaffen werden wie diese Kennzahlen zustande kommen.

Funktionsweise Google Analytics

Google Analytics ist ein hervorragendes Werkzeug um Webseiten zu analysieren. Es bietet jede Menge Funktionen und lässt tiefe Einblicke zu. Und das Beste daran: das Tool kostet keinen Cent. Es gibt zwar eine – zugegebenermaßen relativ teure – Premium-Version, diese wird aber in den seltensten Fällen wirklich gebraucht. Mit der Free-Version kommt man auch schon sehr sehr sehr weit. Google Analytics ist ab Werk jedoch relativ simpel gestrickt was die Datenerfassung angeht. Setzt man sich intensiv damit auseinander stößt man schnell an die Grenzen der Standard-Installation. Mit Sondertrackings können diese Grenzen jedoch enorm verschoben werden.

Google Analytics misst ab Werk auf Basis von Seitenaufrufen. Das bedeutet, dass jedesmal wenn eine Seite geladen wird, Daten an das System übertragen werden. Ohne die spezielle Einrichtungen von Trackings ist der Seitenaufruf der einzige Zeitpunkt zu welchem Daten übergeben werden. Es ist elementar wichtig dieses Grundprinzip zu verstehen, da es sich Sichtweise auf die Kennzahlen verändert. Das hat unteranderem Auswirkungen auf die so wichtige Verweildauer und Absprungrate.

Die Verweildauer

Die Verweildauer beschreibt, wie lange ein Nutzer auf einer bestimmten Seite verweilt. Man könnte also sagen je länger die Verweildauer, desto interessanter war der Inhalt für den Nutzer.

Doch wie wird die Verweildauer eigentlich berechnet? Mit dem Hintergrundwissen dass Google Analytics zunächst einmal nur auf Basis von Seitenaufrufe funktioniert wird schnell klar, dass die Verweildauer auf einer Seite nur dann berechnet werden kann, wenn ein zweiter Seitenaufruf stattfindet. Die Verweildauer ist somit die Zeit die zwischen Seitenaufruf 1 und Seitenaufruf 2 vergeht. Doch wie viele Seitenaufruf machen Ihre Nutzer im Schnitt pro Sitzung? Genau hier beginnt sich mit den technischen Hintergrundwissen die Sichtweise zu verändern. Nutzer, welche nur eine Seite pro Sitzung aufrufen sind in der Berechnung der durchschnittlichen Verweildauer gar nicht enthalten, denn die Verweildauer des einzelnen Aufrufs kann nicht ermittelt werden. Die Daten und deren Aussagekraft werden somit, mal mehr mal weniger, verzerrt.

Die Berechnung der Verweildauer durch Google Analytics

Ein weiterer Faktor der zu einer verzerrten Betrachtung führt ist die Tatsache, dass Google Analytics von Haus aus nicht ermitteln kann, ob der Nutzer tatsächlich aktiv ist oder die Webseite nur geöffnet hat. Öffnet ein Nutzer am morgen seine fünf Lieblingsblogs um sich auf den aktuellsten Stand zu bringen, kommt aber erst nach 20 Minuten dazu sich den fünften Tab im Browser wirklich anzuschauen, sind bereits 20 Minuten auf der Verweildauer-Uhr. Auch das kann zu einer verzerrten Wahrnehmung führen.

Dass Google Analytics die Daten auf diese Weise erfasst ist per se nicht unbedingt schlecht und muss nicht zwangsläufig negative Auswirkungen auf die Analyse haben. Dennoch kann die Datenqualität durch spezielle Trackings verbessert werden.

Die Lösung sind Events. Spezieller, so genannte Interaction Events. Durch diese Events können, unabhängig vom Seitenaufruf, Daten an Google Analytics übermittelt werden.

Die Berechnung der Verweildauer durch Google Analytics mit Non-Interaction-Event

Im Gegensatz zu Non-Interaction Events, beeinflussen diese die Verweildauer weil sie als gleichwertige Aktion wie ein Seitenaufruf betrachtet werden. Bedeutet, dass Google Analytics nicht auf einen zweiten Seitenaufruf angewiesen ist um die Verweildauer zu berechnen. Stattdessen wird die Verweildauer aus der Differenz zwischen dem Seitenaufruf und dem letzten Interaction Events berechnet, sofern kein zweiter Seitenaufruf erfolgt.

Die Berechnung der Verweildauer durch Google Analytics mit Interaction-Event

Als Interaction Events sollten Ereignisse gekennzeichnet werden welche eine wertige Aktion des Nutzer darstellen. Das kann z.B. das Teilen des Inhalts sein.

Eine weitere Möglichkeit die Verweildauer eines Nutzers besser fassen zu können ist das Messen der active time on site. Dabei wird die Zeit gemessen in welcher ein Nutzer sich wirklich aktiv mit dem Inhalt befasst. Also die Zeit, in welcher der Nutzer das Tab nicht nur geöffnet hat, sondern dieses auch tatsächlich aktiv ist. Es kann – mit einer gewissen Toleranz – nur die Zeit gemessen werden, in welcher der Nutzer die Maus bewegt, Scrollt etc. Mit diesem zweiten Messwert kann wesentlich besser eingeschätzt werden wie die tatsächliche Verweildauer auf einzelnen Seiten ist.

Die Absprungrate

Eine hohe Absprungrate ist schlecht, denn sie spricht für eine schlechtes Nutzererlebnis. Eine niedrige Absprungrate hingegen spricht dafür, dass auf der Seite alles richtig gemacht wurde. Nun, ganz so einfach ist es leider nicht. Denn auch hier kommt es darauf an wie die Absprungrate zustande kommt. Daher ist es auch hier wichtig zu verstehen wie diese genau berechnet wird.

Google beschreibt die Absprungrate wiefolgt:

Als Absprungrate wird der Prozentsatz der Besuche einer einzigen Seite bezeichnet (d. h. Sitzungen, in denen der Nutzer Ihre Website auf der Einstiegsseite ohne Interaktion mit der Seite verlassen hat).

Besondere Beachtung bei dieser Beschreibung verdienen die Teile einer einzigen Seite und ohne Interaktion. Ersteres dürfte relativ klar und logisch nachvollziehbar sein da es auf Seitenaufrufen basiert. Gelangt ein Nutzer auf eine Seite und ruft keine weitere Seite auf, wird das als Absprung gewertet. Wesentlich interessanter ist jedoch Zweiteres. Ein Absprung ist nämlich nur dann ein Absprung, wenn der Nutzer während dieses einzelnen Seitenaufrufs keine Interaktion hat.

Die Berechnung der Absprünge durch Google Analytics mit Non-Interaction-Event

Hier sind wir dann wieder bei Interaction und Non-Interaction Events. Je nachdem um welche Ereignisart es sich handelt, beeinflusst diese die Absprungrate. Wird während des Aufenthalts auf der Seite ein Ereignis als Interaktion gewertet, wird kein Absprung mehr registriert.

Die Berechnung der Absprünge durch Google Analytics mit Interaction-Event

Von der Absprungrate auf die Zufriedenheit des Nutzers zu schließen ist also nur bedingt möglich, was folgende Szenarien veranschaulichen:

Szenario 1: der zufriedene Singlesite-Nutzer

Ein Absprung ist nicht zwangsläufig ein schlechtes Nutzersignal. Ein Absprung kann auch bedeuten, dass der Nutzer genau das gefunden hat was er gesucht hat. Zum Beispiel Öffnungszeiten oder Kontaktdaten. Die Absprungrate muss also immer im Kontext in Bezug zum Seiteninhalt und den Absichten des Nutzers betrachtet werden.

Szenario 2: Durchgangs- und Zielseiten

Die Absprungrate hat per Definition nur dann eine Relevanz, wenn es sich um Einstiegsseiten handelt. Für Durchgangs- oder Zielseiten, also Seiten bei denen der Nutzer vorher bereits auf der Webseite unterwegs gewesen sein muss, gibt es sogut wie keine Absprünge. Ein typisches Beispiel dafür sind Seiten in einem mehrseitigen Checkout-Prozess von Onlineshops. Die Seite auf welcher der Nutzer seine Bestellung noch einmal prüfen kann bevor er diese absendet hat naturgemäß wenig bis keine Einstiege. Demzufolge hat die Absprungrate dort auch keine wirkliche Relevanz. Auch hier muss der Kontext beachtet werden. Insbesondere wenn es darum geht eine webseitenübergreifende Absprungrate bei einer heterogenen Seitenstruktur zu bewerten.

Szenario 3: Interaction-Events

Wird ein Ereignis auf der Seite als Interaction-Event gesendet, wird dadurch die Absprungrate beeinflusst. Eine niedrige Absprungrate muss nicht zwangsläufig für ein positives Nutzererlebnis stehen. Erst recht nicht wenn ein Interaction-Event automatisch und ohne ein aktives Zutun des Nutzers generiert wird. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn ein Video automatisch abgespielt wird und das Abspielen des Videos als Interaction-Event Aktion definiert ist.

Fazit

Sowohl die Verweildauer als auch die Absprungrate lässt sich mittels Eventtracking gezielt beeinflussen. Die Verweildauer dahingehend, dass die Zeit in der der Nutzer sich wirklich aktiv mit der Seite befasst gemessen werden kann. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten. Wer den Fehler macht alle Ereignisse als Interaction-Events auszuzeichnen wird seine Absprungrate in den Keller stürzen sehen obwohl sich die Seitenqualität nicht wirklich verbessert hat. Im Extremfall könnten man alle 5 Sekunden nach dem Seitenaufruf ein Ereignis abfeuern, welche dann die Verweildauer beeinflusst. Diese Ereignisse stellen jedoch keine wertige Aktion des Nutzers dar, die Absprungrate würde auch beeinflusst werden, geht gegen Null und verliert vollständig ihre Aussagekraft.

Die plötzliche Abnahme der Absprungrate ist ein klares Indiz dafür. dass ein Interaction-Event eingerichtet wurde
Es muss also genau geplant werden welche Ereignisse auf der Seite als Interaction-Event und welche als Non-Interaction Event ausgezeichnet werden. Im Fall der active time on site wäre also zu überlegen wann diese Dauer als wertig angesehen wird und ab wann es sich somit um Interaction-Events handelt.

Verweildauer und Absprungrate sind zwei gegensätzliche Messwerte mit Wechselwirkungen. Den goldenen Mittelweg zu finden ist sicher eine Herausforderung. Sie ist aber machbar und verhilft zu einer besseren Datenqualität und zu einem besseren Verständnis der Nutzer.

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Eine Antwort

  1. Hi, danke für den Post.
    Eine Frage, bei der ersten Grafik hast du eine Verweildauer von 60sec bei der Session stehn. Das müsste doch auch 40Sec sein?
    Danke

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