Ähnlich wie die “Balanced Scorecard” war das Thema Benchmarking für mich während dem BWL-Studium immer sehr wenig greifbar. Was soll das genau sein? Was würde das bringen? Wie macht mich das besser? Und vor allem, wenn die Einstellung “ich gebe immer mein Bestes” vorherrscht, dann scheint es nicht besonders sinnvoll sein, sich großartig zu vergleichen.
Gute zehn Jahre nach dem Ende meines Studiums würde ich in meinem Tagesgeschäft ohne Benchmarks – also “Verlgeichs- oder Referenzwerte” nicht wirklich klarkommen. Denn obwohl ich nach wie vor viele Ideen und Energie habe, so helfen mir diese Benchmarking-Informationen dabei,
- die wichtigsten und dringendsten Themen und Ziele überhaupt zu finden
- diese Ziele mit einer Kennzahl zu versehen, die ich verändern kann
- für diese Kennzahl einen aktuellen sowie gewünschten Ziel-Wert zu ermitteln
- für die Veränderung der Kennzahl konkrete Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen
- meine eigene Entwicklung mit der anderer zu vergleichen und so meinen tatsächlichen Fortschritt festzustellen
- Chancen, Potentiale und Risiken zu sehen und zu nutzen bzw. zu verhindern
- andere Marktteilnehmer zu identifizieren, bei denen ich mir das ein oder andere abschauen kann
All das sind doch gute Gründe dafür, mit Benchmarks zu arbeiten und sie so einzusetzen, dass man die eigenen, immer begrenzten Ressourcen sehr zielgerichtet und effektiv einsetzen kann. Sachen nur fleißig und “so gut wie man nur kann” zu machen, ist überflüssig, da sie vielleicht gar nicht die Wichtigsten oder Wertschöpfendsten sind.
Was sind denn nun “Benchmarks”
Benchmarks sind Vergleichs- oder Referenzwerte, die mir einen Eindruck geben, wie gut meine Leistungen bzw. Kennzahlen sind. Schwierig sind dabei immer absolute Werte wie z.B. im Digital-Bereich die Kennzahlen “Visits” oder “Page Impressions” – aber auch “Facebook-Fans” oder “Twitter-Follower” alleine sind keine guten Vergleichswerte, da diese Kennzahlen auf sehr viele externe Faktoren wie z.B. Unternehmensgröße, geografische Ausdehnung, Anzahl der Mitarbeiter oder Unternehmensalter zurückgehen können (um nur wenige zu nennen). Man muss also aufpassen, dass man keine Äpfel mit Birnen vergleicht.
Besser sind immer relative und qualitative Werte, wie z.B.
- Engagement – Page Impressions pro Visit
- Loyalty – Visits pro Unique User
- Verweildauer
- Likes pro Fan
- Retweets pro Follower
- Wachstumsraten von Newsletter-Abonnenten
Diese Werte eigenen sich deshalb, weil sie bereits immer zwei absolute, quantitative Werte vergleichen und damit quasi den Hebel zwischen den Werten darstellen – den jeder auf seinem eigenen Niveau beeinflussen kann und für den sich jeder Maßnahmen überlegen kann, wie er ihn verändert – was dann wiederum nachvollziehbar ist.
Wichtig bei Benchmarks ist nur, dass man tatsächlich vergleichbare Zahlen verwendet. Man muss unbedingt darauf achten, dass:
- die Daten auf die gleiche Art und Weise erhoben wurden
- die Daten aus der gleichen Quelle stammen
- die Daten identisch weiterverwendet wurden
- die einzelnen Kennzahlen jeweils gleich erstellt wurden
Bei unserem Nachrichten-Benchmark DigiBench haben wir z.B. die IVW als Partner, die Daten für alle Portale für uns auf die genau gleiche Art und Weise erhebt. Alle nutzen die gleiche Technologie und überall gelten die gleichen Regeln. Wenn wir die Daten dann übernommen haben, dann werden sie jeden Monat mit dem gleichen Prozess in unsere Datenbank überführt, wo mit den gleichen Formeln die qualitativen Kennzahlen erstellt werden. So stellen wir sicher, dass die Zahlen auch über längere Zeiträume absolut vergleichbar sind – und deswegen will man an dem Prozess der Erhebung eigentlich nichts mehr ändern.
Woher bekommt man Benchmarks?
Die Quelle für die Vergleichswerte ist immer die erste große Frage. Oft gibt man hier ja bereits die Suche wieder auf – wobei das eigentlich recht einfach ist und man ja mit sich selbst starten kann.
Zeitliche Benchmarks
Der einfachste Benchmark ist der Vergleich auf der Zeitachse: Wie waren meine eigenen Werte letztes Jahr, letzte Woche oder gestern? Wenn ich sehe, wie sich verschiedene Werte über die Zeit entwickelt haben bekomme ich ebenfalls ein Gefühl dafür, wo ich mich positiv und wo ich mich negativ entwickelt habe. Und diese Zahlen stehen eigentlich immer zur Verfügung.
In unserem Fall konnten wir feststellen, dass nur ein einziger Artikel für die schlechten Kennzahlen verantwortlich ist – und ohne den zwar auch das Wachstum nicht ganz so beeindrucken ist, dafür aber vor allem die qualitative Kennzahlen nicht leiden. Und ohne diese Analyse hätten wir das nicht herausgefunden.
Kategorien-Benchmarks
Ein weiterer, einfacher Benchmark ist die Analyse der gleichen Kennzahlen in verschiedenen Kategorien, Ressorts oder Sortimenten auf der eigenen Seite – oder auch der Vergleich verschiedener Templates. So schauen wir bei unseren Kunden immer genau,
- wie sich das Engagement pro Ressort unterscheidet
- wie sich die Verweildauer auf den Produktseiten nach Sortimenten unterscheidet
- wie Wandlungsraten nach verschiedenen Traffic-Quellen oder Kampagnen abweichen
So können wir schnell selbst feststellen, wo es etwas zu lernen gibt und man eventuell gute Prozesse oder Formate hat, um eine besonders erfreuliche Performance zu erreichen.
Google Analytics Benchmarking
Seit wenigen Monaten hat Google Analytics auch das eigene Benchmarking wieder aktiviert. Darin werden einzelne Werte vergleichbarer anderer Websites verglichen und können vom Nutzer ausgewertet werden.
Aktiviert man die Funktion, dann werden die eigenen Daten in den anonymen Benchmarking-Pool von Analytics eingebracht – man erhält aber auch selbst die Möglichkeit, sich mit einem Durchschnittswert vieler anderer Websites aus dem gleichen Metier und der gleichen Größe zu vergleichen.
Bei uns wird gut sichtbar, dass wir zwar deutlich besser als andere Traffic über verschiedene Kanäle erzeugen – allerdings den Traffic weniger gut auf unserer Seite halten und verwerten können. Auch dies ist wieder ein Hinweis, wo sich eine tiefere Analyse lohnt – denn andere machen es scheinbar besser, als man selbst.
Benchmarking mit externen Datenbanken
Es gibt natürlich viele Anbieter für alle möglichen Kennzahlen, die Benchmarks erheben und verfügbar machen – oder in Projekte einbringen (so wie wir häufig). Man kann sich aber auch öffentlicher Datenbanken bedienen, um z.B. regionale Vergleiche zu ziehen (die statistischen Bundes- und Landesämter) oder verschiedene Unternehmen miteinander zu vergleichen (Bundesanzeiger). Auch hier ist gewährleistet, dass die Daten langfristig statistisch korrekt und auf die gleiche Art und Weise erhoben und verarbeitet wurden – und somit die Auswertungen valide sind.
Wir nutzen die Datenbank der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (kurz IVW) für unseren Nachrichten-Benchmark DigiBench, in denen wir nicht nur neue Kennzahlen entwickeln, sondern auch Referenzgruppen bilden, um eben nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, sondern jedem einen realistischen Gattungs-Indikator für jede Kennzahl bieten zu können.
Bei der Einbeziehung externer Dienstleister ist es wichtig, dass hohe Standards an die Datenerhebung und -verarbeitung gestellt werden. Ist dies nicht der Fall, sollte man sich auch nicht auf die vorgestellten Vergleichswerte verlassen.
Benchmarking mit externen Tools
Da alle Websites im Web sind (dah!) und somit auch für verschiedene Tools zu erreichen, kann man natürlich auch ungefragt Kennzahlen und damit Vergleichswerte erheben – für die verschiedensten Informationen wie z.B. Werte über Websites, Apps, SEO, SEM sowie Social – und natürlich vieles, vieles mehr.
Ein aktuell beliebtes Tool für einen schnellen Einblick ist similarweb, das sich die Daten für alle Websites aus vier verschiedenen Quellen holt und ansprechend grafisch darstellt.
Dabei ist es wohl in der Lage, viele Daten so darzustellen, als ob es ein eingebundenes Webanalyse-Tool wäre. Was ein prima Start ist – und vor allem wieder über die gleichen Zahlenquellen und Verfahren neben der eigenen Website auch jede beliebige andere Seite vergleichbar macht.
Was macht man mit Benchmarks?
Nun habe ich mir also Quellen und Daten gesucht, gefunden und bin voller Handlungsdrang – was sind nun die nächsten Schritte? Wir gehen in unseren Projekten so vor:
- Wir stellen die Zahlen nebeneinander, um einen besseren Überblick zu haben
- Wir visualisieren die Zahlen je nach Kennzahl und bilden einen Graphen
- In dem Graphen suchen wir nach Ausreißern nach oben oder unten
- Ist ein Gipfel (z.B. Delta zum Wettbewerb oder Durchschnitt) gefunden, beginnt ein Drilldown
- Wir versuchen den Grund für das Hoch oder Tief über alle zur Verfügung stehenden Werkzeuge zu ermitteln (auch abseits des Benchmarkings)
- Ist der Grund erkannt, entwickeln wir Maßnahmen, wie man das Problem lösen, das Potential nutzen oder das Defizit aufholen kann
- Für die Maßnahmen werden eigene Indikatoren entwickelt, wie man deren Entwicklung messen kann
- Die Maßnahmen werden umgesetzt und die Indikatoren für eine operative Betrachtung genutzt
- Nach einem relevanten Zeitraum werden die Benchmark-Zahlen wieder erhoben
- Über den größeren Vergleich sieht man, ob die Maßnahmen den Sachverhalt verändert haben – oder ob es insgesamt eine Veränderung gab und die Entwicklung daher kommt
…and repeat…
Wem das Thema gefallen hat, der wird sicher auch von unserer Rubrik Webanalyse begeistert sein oder gerne mehr über Google Analytics herausfinden. Und wenn man aus einem Medienunternehmen ist, dann empfehlen wir immer den Blick in unsere aktuelle Ausgabe des IVW DigiBench.