Lars Grasemann
Learn Enthusiast
Virtuelle Events sind seit geraumer Zeit omnipräsent. Das führte und führt zur sogenannten „Zoom-Fatique” – nämlich einer Unlust, noch an virtuellen Events und Meetings teilzunehmen. Alle, die etwas mit virtuellen Events zu tun haben, konnten also beobachten, dass es immer schwerer wurde, Leute zu motivieren online teilzunehmen. Wer den ganzen Tag schon in virtuellen Räumen bei der Arbeit verbringt, möchte das nicht auch noch in der Freizeit oder bei der Weiterbildung tun. In diesem Beitrag teile ich meine Erfahrungen über das Vorbereiten virtueller Roundtable mit Dir und gebe Tipps, wie Du Teilnehmer:innen und Zuschauer:innen gleichermaßen am „virtuellen Ball” hältst.
Bei der Teilnahme im Browser wird die Aufmerksamkeit schnell auf andere Dinge gelenkt, z.B. andere Browser-Tabs, in denen man weiterarbeitet. Eine Möglichkeit damit umzugehen: nicht krampfhaft versuchen Aufmerksamkeit auf den Vortrag zu kriegen, sondern Formate liefern, die auch nur auf der Tonspur funktionieren. Der Hype um Clubhouse und der Siegeszug von Podcasts zeigen, wie populär Audio-Formate sind. Eines dieser Formate, das dem Podcast ähnelt, ist der Roundtable. Also ein moderiertes Gespräch unter Expert:innen zu einem bestimmten Thema. In Präsenz lebt das Format von einer lebendigen Diskussion und der Präsenz der Teilnehmer:innen auf der Bühne. Das auch virtuell abzubilden, ist eine Herausforderung. Jede Moderation durchläuft die üblichen Phasen: Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung. Deshalb habe ich meine Erfahrungen und Einschätzungen entlang dieser Phasen niedergeschrieben.
Vorbereitung auf die Moderation
1. Ins Thema eintauchen
Niemand erwartet von Dir als Moderator:in, dass Du im diskutierten Thema Expertise hast. Dennoch ist es natürlich wichtig, das Thema bis zu einer gewissen Tiefe zu durchdringen. Nur so kannst Du die Argumente und Beiträge der Diskutanten nachvollziehen, einordnen und ggf. Anschlussfragen stellen. Aus diesem Grund steht bei mir am Anfang der Vorbereitung immer eine kurze Erstrecherche in einschlägigen Blogs, Medien und natürlich Google.
2. Mögliche Speaker:innen recherchieren
Im nächsten Schritt setze ich mich ausführlich mit den Speaker:innen auseinander. Die wichtigsten Fragen sind für mich: Welchen Hintergrund haben sie? Welche Perspektive bringen sie ein? Haben sie zum Thema etwas veröffentlicht? Seien es Interviews, Blogbeiträge, Fachartikel oder ganze Bücher. Diese Quellenrecherche hilft sehr, ein Verständnis dafür zu entwickeln, welche Position die Speaker:innen jeweils vertreten werden.
3. Speaker:innen für den Roundtable kontaktieren
Ein sehr wichtiger Schritt ist die Kontaktaufnahme. Entweder solltest Du als Moderator:in zu einem sehr frühen Zeitpunkt bei der Auswahl der Diskutant:innen beteiligt sein. Oder Du nimmst zeitnah zum Event Kontakt auf. In diesem Schritt stellst Du eine erste lose Beziehung her, welche Vertrauen für das spätere Gespräch schafft.
4. Vorgespräch mit Technik-Check
Vor einer Roundtable-Moderation versuche ich immer, ein Vorgespräch zu verabreden. Hier erkläre ich kurz den geplanten Ablauf und die Rahmenbedingungen, damit alle Beteiligten dasselbe Verständnis vom Format haben. Darüber hinaus frage ich individuelle Wünsche und Vorstellungen ab, z.B. ob ich bei der Vorstellung auf etwas Bestimmtes eingehen soll.
Bei virtuellen Events empfehle ich das Vorgespräch mit allen Teilnehmer:innen zu bündeln und einem Technik-Check zu verbinden. Sprich: eine Zusammenkunft unter Realbedingungen im späteren Streaming-Tool, um mögliche technische Probleme zu identifizieren. Das hat die weiteren Vorteile, dass die virtuelle Podiumsdiskussion bereits vertraut ist und sich alle Teilnehmer bereits kennen. Das erleichtert es Dir als Moderator:in, in der Live-Situation eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen und verkürzt den Teilnehmer:innen die Eingewöhnungszeit.
5. Material für die Moderation vorbereiten
Kurz vor der Veranstaltung bereite ich mein Material vor. Das sind z.B. Informationen über die Teilnehmer:innen, ein Ablaufplan sowie die Fragen für die Diskussion. Dabei bereite ich allgemeinere Fragen, die sich an alle richten, aber auch spezielle Fragen für einzelne Diskutant:innen vor. Die Anmoderation formuliere ich sogar wortwörtlich aus, um mir selbst den Einstieg zu erleichtern. Auch wenn ich selbst ein Freund der freien Rede bin, hilft mir das dabei, mich von Anfang an zu fokussieren und nicht nach passenden Formulierungen zu suchen.
6. Moderations-set vorbereiten
Eine Besonderheit von virtuellen Roundtables ist sicher die Vorbereitung des Moderations-Sets. Während man bei analogen Podiumsdiskussionen vor allem mit Moderationskarten arbeitet, kommen virtuell weitere Möglichkeiten, aber auch Anforderungen auf Dich zu. In der Präsenzveranstaltung richten sich die Augen meist auf die aktuell sprechende Person und das Publikum ist meist relativ weit weg. Auf dem virtuellen Podium sind die Teilnehmer:innen durch ihre Webcam in Nahaufnahme und während jemand anders spricht, zu sehen. Ich möchte an der Stelle gar nicht auf die Anforderungen an professionelles Streaming eingehen. Für die Moderation bedeutet das aber, dass die Arbeit mit Moderationskarten ständig im Blickfeld der Zuschauer passiert und störend wirken kann. Ich greife daher auf einen zweiten Bildschirm zurück, auf dem ich alle relevanten Informationen strukturiert zur Verfügung habe. Ein einfaches Textdokument oder eine notion-page reicht für den Anfang. Du kannst Dir gerne meine Vorlage für die Roundtable Moderation auf notion genauer anschauen.
Die Umsetzung bei der Roundtable Moderation
Du siehst, die Vorbereitung ist recht umfangreich. Mir hilft das aber dabei, mich in der Live-Situation voll und ganz auf das Gespräch einlassen zu können. Bei der Durchführung gibt es auch Schritte, die nacheinander durchlaufen werden.
Atmosphäre schaffen
Ist der Roundtable Teil einer größeren Veranstaltung, wird er in der Regel von der Person eingeleitet, die die Hauptmoderation des Events übernimmt. In diesem Fall bin ich nur für den Roundtable selbst verantwortlich, sodass ich es als meine erste Aufgabe verstehe, eine angenehme und interessierte Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Dazu ordne ich das zu diskutierende Thema in einen Kontext ein. Das kann die Konferenz selbst sein mit Bezug auf andere Formate des Tages, aber auch eine aktuelle Branchendiskussion, ein Gerichtsurteil oder Berichterstattung in den Medien sein. Das Ziel ist es, den Zuschauer:innen die Relevanz der Diskussion zu vermitteln und ihr Interesse zu wecken. Die Teilnehmer:innen haben in dieser Phase Zeit in der Situation anzukommen, ohne bereits selbst etwas beitragen zu müssen.
Teilnehmer:innen vorstellen
Anschließend stelle ich die Teilnehmer:innen der Reihe nach vor. Dabei versuche ich, mich kurzzufassen, da die Zuschauer:innen in der folgenden Diskussion die Teilnehmer:innen ja noch ausgiebig kennenlernen. Wichtig ist mir in diesem Schritt, dem Publikum etwas zum Hintergrund der Personen und ihrer Perspektive mitzugeben. Auf der anderen Seite soll die Vorstellung auch die Wertschätzung gegenüber den Diskutant:innen zum Ausdruck bringen.
Allen genügend Raum geben
Eine wesentliche Herausforderung bei der Moderation sehe ich darin, allen Teilnehmer:innen genügend Raum zu geben. In der Regel treffen auf dem Podium die unterschiedlichsten Persönlichkeiten aufeinander: introvertierte treffen auf extrovertierte, impulsive auf zurückhaltende und sachliche auf emotionale Menschen. Manche kommen schnell auf den Punkt und können stark argumentieren. Andere holen weiter aus und verlieren sich in der Argumentation. Die Aufgabe der Moderation liegt jetzt nicht in einer auf die Sekunde genau gleichen Redezeit, sondern darin, dass alle die Möglichkeit bekommen, ihre Perspektive einzubringen. Nur so kann ein wirkliches Gespräch entstehen, das nicht von einzelnen dominiert wird. Hierbei helfen mir vor allem die Fragen, die ich gezielt für einzelne Teilnehmer:innen vorbereitet habe.
Der Diskussion einen roten Faden geben
Mit der Moderation ist es wie mit soliden Defensivspieler:innen im Fußball. Im besten Fall fallen sie nicht besonders auf, denn die Diskutant:innen sollen im Vordergrund stehen. Im Idealfall spielen sie sich gegenseitig die Bälle bzw. Argumente zu. Doch nicht jeder Roundtable verläuft so. So kann es vorkommen, dass sich Teilnehmer:innen im Detail verlieren oder ihre Positionen immer und immer wiederholen. Hier verstehe ich es als meine Aufgabe, mit der Moderation steuernd einzugreifen und der Diskussion einen roten Faden zu geben. Dabei helfen mir die allgemeineren Fragen, die ich für die Gruppe vorbereitet habe. Denn damit kann ich den Fokus wieder auf das Ausgangsthema richten und alle Anwesenden wieder mit einbeziehen. Es kann auch helfen, diese Frage an eine Person zu richten, die in den letzten Minuten eher still teilgenommen hat
Rechtzeitig zur Conclusio überleiten
Weiter oben gehe ich darauf ein, wie wichtig es ist, allen genügend Raum zu geben. Allerdings ist der Raum, in diesem Fall die Zeit, begrenzt. Umso wichtiger ist es für die Moderation, die Uhr im Blick zu haben, um das Gespräch rechtzeitig in Richtung der Conclusio zu leiten. In der Regel darf jede:r Teilnehmer:in ein abschließendes Statement abgeben. Damit das nicht hektisch wird, plane ich dafür meist mehrere Minuten ein. Denn nicht alle kommen hier schnell auf den Punkt und manches Statement erhält noch eine Reaktion aus dem Teilnehmerkreis.
Abmoderation und Überleitung zu nächstem Programmpunkt
Nach dem Abschluss-Statement der Teilnehmer:innen hast Du als Moderator:in das letzte Wort im Format. Es empfiehlt sich, noch einmal ganz kurz die Diskussion zusammenzufassen. Hierbei ist es wichtig, das bereits (eventuell mehrfach) gesagte nicht noch einmal zu wiederholen, sondern eher einen generellen Eindruck vom Gespräch zu vermitteln wie: „es war eine hitzige Diskussion” oder „im Kern gab es einen Konsens”. Anschließend gebührt den Diskutant:innen sowie dem Publikum ein Dank, bevor Du als Moderator:in zurück an die Hauptmoderation abgibst.
Die Nachbereitung
Dank an Teilnehmer:innen und Orga-Team
Die Nachbereitung einer Roundtable Moderation fällt verglichen mit der Vorbereitung recht kurz aus. Am wichtigsten finde ich es, mich noch einmal bei allen Beteiligten zu bedanken. Zum einen bei den Diskutant:innen, die das Gespräch inhaltlich mit Leben gefüllt haben. Zum Anderen aber auch beim Orga-Team, die das ganze erst möglich gemacht haben. Bei Präsenzveranstaltungen gerne in Form eines gemeinsamen Getränks, virtuell mit einer möglichst individuellen Nachricht.
Feedback einholen
Neben der Wertschätzung aller Beteiligten finde ich es wichtig, Feedback einzuholen. Manches erreicht einen ungefragt, aber es lohnt sich, um Feedback zu bitten. Auch hier natürlich zunächst einmal von den direkt Beteiligten, aber auch von Zuschauer:innen, Kolleg:innen etc., die die Diskussion verfolgt haben.
Learnings einholen
Zu guter Letzt versuche ich kurz innezuhalten, um das Feedback und eigene Eindrücke zu verarbeiten. Ein, zwei konkrete Learnings für das nächste Mal gibt es eigentlich immer, die notiert werden müssen.
Fazit
Die Vorbereitung einer Roundtable-Moderation ist im Vergleich zu anderen Moderationen relativ zeitaufwendig. Mit der Zahl an Teilnehmer:innen steigt die Komplexität, sowohl inhaltlich, aber auch persönlich und technisch. Dies ist im virtuellen Raum besonders ausgeprägt. Eine gewissenhafte Vorbereitung ist hier das A und O. Und auch wenn man einiges vermeintlich nicht braucht, kann es der moderierenden Person Sicherheit geben. Mir hilft es auf jeden Fall dabei, mich voll und ganz auf die Live-Situation zu konzentrieren. Denn die wichtigste Voraussetzung für eine gelungene Moderation ist es, mental präsent zu sein.
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